„Zwillingsschwestern lassen russische Seele erklingen“

DIE WELT VON PETER KRAUSE

Man müsste Russisch können. Nur, um auch noch die letzten der feinen Nuancen erspüren zu können, mit denen dieses famose Liedduo seine musikalische Reise durch die Wort-Ton-Landschaften der Herren Tschaikowsky, Rachmaninow, Rimski-Korsakow und Mussorgsky durchzieht. Gerade haben Zoryana und Olena Kushpler ihre Debüt-CD mit russischen Romanzen vorgelegt, jetzt gastieren sie beim SHMF. Am 12. August geben die Zwillingsschwestern einen Liederabend in Travemünde.

Der Höreindruck von der CD verspricht viel, veröffentlichten die Kushpler-Schwestern doch eine schwärmerische Liebeserklärung an das russische Lied. Betörend mischen sich die klug kalkulierte vokale Sinnlichkeit von Zoryana und das impressionistisch duftende Klavierspiel von Olena. Die Mezzosopranistin und die Pianistin aus dem ukrainischen Lemberg kreieren in den Romanzen eine atmosphärische Raffinesse, die der lodernden Leidenschaft wie der tiefen Trauer der Texte beredten Ausdruck verleiht. Der berührt auch all jene, die des Russischen gar nicht mächtig sind.

Ihre künstlerische Partnerschaft beschreiben beide Schwestern als einzigartig. Die Pianistin sagt: „Wenn wir musizieren, dann atmen, fühlen und denken wir gleich. Da werden wir wirklich eins.“ Zoryana führt diese künstlerische Symbiose auf die frühe gemeinsame Prägung zurück: „Eigentlich haben wir ja schon im Mutterleib gemeinsam Musik gehört, schließlich ist unsere Mutter Pianistin und unser Vater Opernsänger – genau die Konstellation, in der wir nun gemeinsam auftreten. Wir erhielten dieselbe Grundausbildung in Musik, haben einfach dasselbe Gespür als Menschen und als Musiker.“

Gerade für das innige Genre des Kunstliedes ist dieses musikalische Einverständnis die ideale Voraussetzung. Dabei sind Sänger durchaus extrovertierte Wesen, kommunizieren sie doch sehr direkt mit ihrem Publikum, während Pianisten mehr bei sich und ihren Noten bleiben können. Olena Kushpler sieht gerade im Liedgesang eine große Herausforderung für die singende Zunft: „Diese sehr intime Musik ist eine Chance für die Sänger, ihre andere, ihre innere Seite zu zeigen. Schubert und Show passen nicht zusammen“, bringt die feinfühlige Pianistin ihre These mit einem Augenzwinkern in Richtung ihrer Schwester auf den Punkt.

Die Jungprimadonna, die bereits als Carmen umjubelt wurde, steht an der Wiener Staatsoper an der Seite von Weltstars wie Anna Netrebko und Thomas Hampson auf der Bühne, wo sie nach zwei Spielzeiten am Stadttheater Bern seit 2007 fest engagiert ist und sich unglaublich wohl fühlt.

Um mit ihrer Schwester am gemeinsamen Repertoire zu feilen, reist die überzeugte Wahl-Hamburgerin Olena Kushpler, die im Norden häufig als Kammermusikerin mit dem Bonnard Trio oder als Solistin zu erleben ist, regelmäßig nach Wien. Die Musikstadt beflügelt sie. Als besonderes Glück empfindet sie dort die Inspiration durch Norman Shetler, den legendären Liedbegleiter, der einst mit Fischer-Dieskau und Peter Schreier aufgetreten ist. Auch für ihr aktuelles Programm mit russischen Romanzen und Liedern von Gustav Mahler hat er ihnen wieder sein wertvolles Wissen weitergegeben.

Zumal Olena sensibilisiert Shetler dafür, in der Kammermusik den dynamischen Pegel vielstufig herauf- und herunterzufahren. „Die Farbpalette eines Liedbegleiters muss noch viel reicher sein als bei einem Solo-Pianisten“, stellt die Absolventin des Hamburger Meistermachers am Klavier, Evgeni Koroliov, fest. Bei ihm hat sie ihr Konzertexamen gemacht. Auch ihre Schwester hat ihre Ausbildung an der Musikhochschule vervollkommnet, in der viel gerühmten Gesangsklasse von Judith Beckmann.