„Ein ungewohnter Schostakowitsch“

BADISCHE ZEITUNG VON FRIEDRICH SPRONDEL

Wenn man das erste Konzert des neuen „Klassikfests Kaiserstuhl“ als Versprechen versteht, dann dürfen sich die Musikfreunde der Umgebung auf ein genussreiches Festival freuen. Das Bonnard-Trio aus Hamburg setzte bei seinem Konzert am Freitag in der Evangelischen Kirche in Ihringen einen hohen Maßstab: absolut sicheres Können, solistisches Selbstbewusstsein jedes Musikers und doch perfektes Zusammenspiel, einen kraftvollen Klang von geradezu üppiger Sinnlichkeit. Nur zwei Werke hatten die Pianistin Olena Kushpler, der Geiger Hovhannes Baghdasaryan und der Cellist Mikhail Tolpygo aufs Programm gesetzt, beide jedoch gewichtig genug, um eine eigene Konzert-Halbzeit zu beanspruchen: das Klaviertrio C-Dur von Joahnnes Brahms und das e-Moll Trio von Schostakowitsch.

Brahms‘ Opus 87 strotzt nur so von Kraft, Erfindungsreichtum und Charakter. Und genau so spielte das Bonnard-Trio auch: mit verschwenderischer Klangfülle, zugleich stets das Ganze im Blick. Nur einmal, im Finale, geriet Baghdasaryan der lange angebahnten Steigerungen des Satzes ein sympathischer Temperamentsausbruch.

Mit Schostakowitschs e-Moll-Trio schienen Musiker und Hörer eine andere Welt zu betreten. Zwischen Traurigkeit, Exaltiertheit und zerstörerischer Wucht hat der Komponist das Stück angelegt, als er es im Kriegsjahr 1944 komponierte. Manche Ensembles stellen es in der ganzen Strenge seiner Linie hin, kantig wie ein Holzschnitt. Das Bonnard-Trio hatte offenbar anderes im Sinn: dem Werk seinen Trauergestus zu lassen, ihm aber zugleich die Wärme gesangvollen Spiels mitzugeben.

Den dritten Satz, eine Passacaglia, gestalteten der Geiger und der Cellist über den monumentalen Klavierakkorden zu einem Dialog von solcher Ausdrucksfülle, dass man einem Sängerduett zu lauschen schien. Im breit verlangsamten Finalschluss streiften die Musiker die Grenze zum Romantisieren. Den Biss der Musik verleugneten sie trotzdem nicht, sei es in den aggressvien Spitzen des Scherzos oder im alles niederwalzenden, schmerzhaft lang andauernden Höhepunkt des Finales. Ein neuer, ungewohnter Schostakowitsch – und ein grandioser Festivalstart.